In folgender technischer Betrachtung geht es um BLDC-Regler bzw. brushless Controller, die mit Hallsensoren arbeiten und mit Betriebsspannungen bis 60 V betrieben werden können. Weiterhin sollen die Regler BLDC-Motore bis ca. 0,6 kW mit hoher Dynamik ansteuern können und möglichst kostengünstig in der Anschaffung sein - die Preise für die nachfolgend vorgestellten Regler liegen zwischen 8 und 13 € inkl. Versand.
0.) Vorgeschichte:
Für meine Projektarbeit "Bot mit bürstenlosen Motoren" suchte ich lange Zeit nach Reglern, die in der Lage sind BLDC-Motoren mit 1,5 kW (Quelle: Elektroroller) möglichst dynamisch anzusteuern. Schnell wurde klar das ein derartiger Regler ab 400 € aufwärts kostet, was mir zu teuer erschien. Die Alternative ist ohnehin viel interessanter: selbst bauen! Da mir dafür aber die Zeit fehlte - insbesondere das für 4 Leiterplatten nötige Leiterplatten-Layout schreckte mich ab - habe ich alles eine Nummer kleiner projektiert, nämlich mit 4x 0,4 kW-Mot. Nun war es möglich diese kleinen Chinaregler einzusetzen, die angeblich 16 ... 20 A bei bis zu 60 V liefern können.
Wie im Parallel-Thema "Brushless-Fahrtregler: Grundlagen und Nachbau" bereits beschrieben, gibt es grundsätzlich zwei Typen von BLDC-Reglern. Man stelle sich dazu einen aufgebockten Bot vor, bei dem über die Funke Vollgas gegeben wird: Die Räder würden mit höchster Drehzahl im Leerlauf touren. Wird jetzt der Steuerknüppel schlagartig auf Gas = 0 gestellt, unterscheiden sich die Regler: Beim Typ 1 (eBike) würden die Räder gemütlich abtouren bis diese von selbst stehen bleiben, was durchaus einige Sekunden dauern kann (unbelastet). Beim Typ 2 (Bot) dagegen bleiben die Räder bei Gas = 0 quasi SOFORT stehen und sind im Stillstand auch blockiert / gebremst! Letzteres verstehe ich unter einer dynamischen Ansteuerung!
1.) Die erste Generation billiger BLDC-Regler um 2017 (Spezifikation: 35 V / 16 A):
Ich habe zwei Regler gekauft und auf einen Prüfstand mit einem BLDC-Hoverboardmotor (350 W) getestet, wobei die Ansteuerung mit einem Arduino erfolgte. Die Reaktion des Motors sollte dynamisch sein, immerhin ist der Einsatz in einem Bot vorgesehen und nicht in einem eBike oder eScooter (Personenbeförderung).
Die erste Generation Billigregler war jedoch lausig, eine dynamische Ansteuerung war nicht möglich; Beispiel: Bei der Steuerung von Vollgas-Vorwärts auf Vollgas-Rückwärts macht der Regler stets eine Pause von einer Sekunde, heißt also, dass das Rad nach dem Abtouren erst für eine Sekunde absolut stillstehen MUSSTE (= Regler-Vorgabe!) , bevor Richtungswechsel und Vollgas wieder zugelassen wurden. Dazu kam dann auch noch, dass beim Vollgas-Auftouren der Regler von sich auch eine Art "Hochlauf-Rampe" (hieß im Datenblatt treffend "Smooth turn-on") eingefügt hat, was dazu führte, dass selbst der unbelastete Motor im Prüfstand wie in Zeitlupe auftourte.
Jedenfalls ist der Regler für den Einsatz im Bot unbrauchbar. Für batteriebetriebenes Kinderspielzeug oder ein eBike vielleicht, da tourt nichts dynamisch unter Volllast auf und gebremst werden beim Abtouren muss auch nicht.
1.1) Technische Details zum Billigregler und dem interner Motor-Controller JY01:
Vom Prinzip her besteht der Regler aus Motor-Controller-IC, 3 MOSFET-Treiber und 6 N-Kanal MOSFETs, alles zusammen mit einer Spannungsversorgung auf einer doppelseitigen Leiterplatte von 4 x 6 cm.
Nachfolgend Bilder von der 2017er Leiterplatte - gekauft für 8 € inkl. Versand:


Die eigentliche Frage blieb: Warum reagiert der Regler auf meine Befehle nicht spontan, sondern fügt immer irgendwelche Wartezeiten ein? Schnell fand ich heraus, dass es auf der Platine einen dominanten Master-Chip mit der Bezeichnung JY01 gibt. Hierzu fanden sich auch Unterlagen, die das langsame Anlaufverhalten bestätigen. Der Chip ist dennoch interessant, denn in diesem winzigen Chip sind sämtliche Kommutierungstabellen und eine Fehlerkorrektur hinterlegt, wobei der Vorteil scheinbar in der recht einfachen / fehlertoleranten Ansteuerung liegt. Nachteil: Dieses IC überschreibt stur meine Arduino-Ansteuerung und setzt seine eigene (undynamische) Verfahrensweise durch. Es scheint, es soll ein zu großer Motorstrom vermieden werden, obwohl der Regler über eine Strombegrenzung verfügt und die Ströme beim Auftouren im Leerlauf nicht einmal 15 % vom Begrenzungswert erreichten.
Prinzipbeschaltung vom Motor-Controller JY01 mit MOSFET-Treiber IR2101:

2.) Völlig neue Generation billiger BLDC-Regler ab 2021 (neue Spezifikation: 60 V / 20 A):
Nachdem die erste Regler-Generation ab 2017 eher eine Spielerei und für den dynamischen Einsatz in einem Bot nicht tauglich war, kaufte ich zwei weitere Regler im Jahr 2021 nach, da ich von neuen Funktionen gelesen hatte. Die neuen Regler unterscheiden sich optisch durch einen bereits montierten Kühlkörper (KK), haben aber auch den JY01 verbaut, was erstmal abschreckt. Obwohl das IC den gleichen Aufdruck wie 2017 hat - also keine Versionskennzeichnung oder Herstellerjahr erkennbar ist - handelt es sich um eine völlig neue Variante! Es tauchen auch neue Data Sheets auf, die von einer 4. Version berichten - UND DIESE NEUE VERSION VOM JY01 HAT ES IN SICH!
Bild von der 2021er Leiterplatte mit Kühlkörper - gekauft für 13 € inkl. Versand:

Wer meine Berichte liest weiß in etwa, dass ich Regler und Motoren auf einem Prüfstand stets heftigen Belastungstests unterziehe, z.B. indem ich das vorwärts drehende Rad mit Gewalt (und dicken Lederhandschuhen!) rückwärts drehe, wobei es zwar zu hoher Stromaufnahme kommt, aber weder MOSFETs beschädigt werden dürfen (innerhalb der Regler-Spezifikation), noch ein Kommutierungsfehler auftreten darf.
Die Erwartung bei diesem Belastungstest ist, dass der Regler das Rad brutal weiter tourt, also aus der Motorblockade heraus vollstes Drehmoment ermöglicht - was übrigens ohne Hallsensoren kaum möglich sein dürfte.
Diesen ersten Test hat der Regler bestanden - ich konnte ab etwa 21 V das Rad nicht mehr festhalten, der Motor drehte kraftvoll immer weiter, ohne das der Regler in eine Abschaltung wegen Fehlersituation oder Überstrom geht: TOP! (Testdurchführung übrigens mit einem strombegrenzenden Netzteil 0...35 V / 0...10 A).
Der danach folgende Dynamiktest überzeugte ebenfalls: Bei der Umschaltung von Vor auf Rück aus hoher Drehzahl heraus gab es keinen (vom JY01 erzwungenen) Stopp-Zyklus mehr, vielmehr fand der Richtungswechsel derart schlagartig statt, dass mir der Radnabenmotor fast aus der Befestigung gerissen wurde! SO MUSS DAS SEIN!
Das IC JY01 (mutmaßlich 4. Version) überlässt es jetzt also dem Programmierer bzw. Anwender, ob und wie Reglerelektronik und Motor geschützt werden! Es gibt keinen "Smooth turn-on" mehr und auch die elendigen (vom JY01 eingefügten) Wartezeiten gibt es nicht mehr. So erwarte ich das von einem Regler! Nachteilig ist das für Anfänger dieser Anwendung, da diese größere Fehler von der Ansteuerung her machen könnten, eben weil der JY01 jetzt nicht mehr die "schützende" Kontrolle über die Befehlsausführung ausübt und Ansteuerungsfehler 1:1 durchlässt.
Die neuere Generation der Billigregler (bzw. des Motor-Controller JY01) zeigt für Bot-Nutzung eine durchaus brauchbare Dynamik, zumal sich die elektrischen Eckdaten von 35 V / 16 A auf 60 V / 20 A verbessert haben. Die 60 V sind eine echte Hausnummer, so lassen sich 48V-Systeme mit Ladeschlußspannungen von 56 V aufbauen.
UND DANN DER HAMMER: Es gibt sogar eine eingebaute und bei Bedarf zuschaltbare Bremse, welche bei höheren Drehzahlen vollautomatisch als "getaktete Stotterbremse" arbeitet, ohne das sich der Anwender um die nötige Drehzahlermittlung und Berechnung der Brems-PWM kümmern muss! Die dabei erreichte Dynamik ist absolut akzeptabel und natürlich bleibt das Rad im Stillstand vollständig blockiert - wie das bei einem Bot sein sollte.
Diese Bremsfunktion gab es bei der 2017er Leiterplatte noch nicht. Etwas nachteilig ist hier, dass der Bremsstrom nicht abgeregelt wird und viel höher sein kann, als der beim Beschleunigen max. fließende Motorstrom. Das kann zu einer Überhöhung der Betriebsspannung führen (Bremstaktung: Motor ist jetzt Generator, Strom fließt über Body-Dioden in die Batterie) und belastet die L-MOSFETs der 3 Halbbrücken stärker, weil diese dann die Bremsenergie kurzschließen / verdauen müssen. Auch hier ist also der Anwender in der Pflicht, selbst die Belastungsgrenzen zu ermitteln und geeignete Maßnahmen zum Schutz von Motor & Elektronik zu realisieren.
... FORTSETZUNG FOLGT (hier Begrenzung auf 10.000 Zeichen)